Der gesunde Glücksbegriff ist mithin auf eine kleinere Begrifflichkeit quantifizierbar und enthielte am ende ein deutliches Mehr an Lebensqualität, wie auch an Eigentlichkeit! Im übrigen bliebe jedem auch mehr, was zu verteilen wäre. Ein solch aufgewertetes Mehr ließe Vieles eher realisieren - viele könnten davon profitieren und würden letztlich auch bereitwilliger abgegeben, wenn, ja wenn diese verdammte Gier nicht wäre. Wo ist denn der Mechanismus, der dafür sorgt, dass wir zum Verrecken nicht wahrhaben wollen, dass Materielles uns nicht glücklich macht? Was macht es uns so schwer die schwerwiegenden Maximen aufzugeben? Hat die Selbstentfremdung einen gefährlichen Grad von Gleichgültigkeit erreicht, so dass wir unbedingt in den brodelnden Kochtopf springen wollen? Offensichtlich wollen wir es schweinisch, obwohl es uns -logischen Verstanden klar - nichts hilft und wir uns damit selbst diskreditieren. Wenn uns nicht schleunigst gelingt, die Ästhetik des Weglassens, ja Unterlassen zu kultivieren, droht weitere Selbstentfremdung und Selbstvernichtung durch Machtwahnsinn und Fetischismus. Das innere Vorstellungspotenzial, das inventive Bauen von Gedanken wird so nicht genutzt. Das ist irrational absurd und wir tun alles, damit sich nichts ändert. Geld ist gefrorenes Handlungspotenzial, Drogenpotenzial! Wenn aber daraus nichts mehr gemacht wird außer Machtdemonstration, und man sich lediglich Güter oder Unnötiges kauft, um zu zeigen: „Ich bin der Beste, der Tollste", dann läuft garantiert etwas schief.

Geht man einmal zu den Siechenden: wenn das aktive Leben sich allmählich verneigt, und die wesentlichen Fragen kommen, wird die Vorstellung von Glück auch in westlichen Zivilisationen modifiziert. Zwar kommt am Ende für jeden der Tod, und oft wird dann danach gefragt, was man vom Leben hatte, womit meist materielle Eckpunkte gemeint sind. Für den Siechenden selbst stellen sich gewiss andere Fragen. Angenommen, Siechtum wäre der unangenehme, rein biologische Ausgleich für jahrzehntelange Schmerzfreiheit? Liegt dann im Umkehrschluss das Quantum an Glück über das Leben verteilt einzig in Schmerzfreiheit, also weit weg vom weitläufig angenommenen Maßstab?

Schwer Kranke empfinden ein sofortiges Ende ihrer Qualen naturgemäß als den allergrößten Glückstatbestand. Das ist ihr größter Lottogewinn, da zählt weder Industrieplastik noch Geld, sondern Schmerzfreiheit oder der Umstand, dass ein Wichtiger nah ist. An dieser Stelle wird der Begriff von Glück wieder zu recht gerückt. Oft kommt schon bei „nur Kranken" die wohlbekannte Aussage: „Ich würde alles Geld eintauschen, um gesund zu sein". Auch ein friedliches Entschlafen ist blanker Wunsch und Irrtum, in den meisten Fällen ist langes Siechtum relevant, folglich gibt es auch hier überzogene Wunschhaltungen und Erwartungen! Ist am Ende pures vollständiges Glück reine Schmerzfreiheit, und alle Stunden, die schmerzfrei sind, als ein Geschenk, vielleicht „das Geschenk" zu bezeichnen und es fehlte bisher nur an der erforderlichen Hochschätzung dazu? Liegt dort der zu recht gerückte Maßstab, um uns vor Enttäuschung und Hadern zu bewahren? Wäre eine solche Einsicht, die geeignete Strategie, sich übers Leben konstant für glücklich zu halten? Ist das größte Glück, keine üblen körperlichen Schmerzen zu haben? Es sollte darüber nachgedacht werden! Hinsichtlich des Themas: „die schwarze Galle und das Los des Menschen", stellt Heidegger Tod und Glücksverlangen (als Positivum) gegenüber. Ein lebensphilosophisch grundiertes Lustprinzip und ein „Sein im Tod" sind Antipoden. Glück dient ihm als Antrieb im Leben und „Dasein ist Sein zum Tode" und „das Sein zum Tode ist wesenhaft Angst". Na, ja: ein „Dasein zum Tode" klingt nicht sehr attraktiv, ein Dasein für den Luxus klingt irgendwie besser.

In vorgenannten Feldern des „Schmerzhaften" entstehen gleichwohl die notwendigen und im Grunde nachhaltig lebensnotwendigen Einsichten wie in unmittelbarem Kontext die Reduktionen, die wir dringend benötigen, uns auf Wesentliches zu besinnen, um uns wieder glücklicher werden zu lassen. Wenn der stetige Konsumwunsch uns allen einen hohen Preis abringt („verarmte, mental veränderte Wesen"), dann erhält man spätestens hier die Möglichkeit, sich wieder auf das Elementare zu besinnen, es vor allem deutlich zu verinnerlichen und faktisch anzuwenden und nicht nur selbstbetrügerisch „die Regeln zu kennen". Im Übrigen wird die Belohnung für solche Einsichten hoch sein sowie keinerlei Verlust entstehen lassen. In diesen Feldern bekommt man ein Gespür für das, was man wirklich braucht. Entweder eine Uhr für 695.000,- Euro oder inneres Glück durch Wesentlichkeit.

Plausible Schlüssel zur Problemlösung, sich selbst zu bescheren, liegen für Verständige sowohl im „Zurückschrauben" als auch im „Loslassen". Materielle Ansprüche sukzessive zurückfahren und Loslassen bedeutet, den Geist aus dem Gefängnis des Greifens zu befreien. Plastischere Lösungen des Problems liegen u. a. in einer Meditation. Meditation als Chance, warum nicht? Es geht weder um Esoterik noch Mönchwerdung, sondern um Verinnerlichungsprozesse, wenn man mag. Dies hat ebenso mit Bewusstwerdung zu tun, was letztendlich soviel heißt wie, Sich sammeln, den Geist heimbringen, wie ein Fels zu werden, resistent, seelisch gesünder und ausgeglichener. Allesamt geschickte Übungen der Achtsamkeit!

Ein weiterer Schlüssel auf dem Weg zum Nukleus des Glücks liegt in der Gelassenheit. Gelassenheit ist ein alter Begriff mit philosophischer Bedeutung und er ist nötig, um den Kränkungen, die etwa das Alter nun einmal bereit hält zu begegnen. Die Sozialforscherin, Therapeutin und Autorin, Eva Jaegi meint zu den Einsichten wie: „Ich bin nicht mehr jung und schön", oder: „die erotische Situation hat sich geändert", man solle dem mit „voller Gelassenheit" begegnen. Zugegeben: Es ist nicht leicht in Deutschland alt zu werden! Die Idealisierung des Materiellen oder der dominante Entwicklungsgedanke vom Immer besser, höher weiter, immer fit, immer funktionieren, ist übermächtig. Besser wäre ein: „Ich-muss-nicht-überall-mitmachen", oder ein Aus-sich-heraus-Treten, ein Nicht-sofort-Agieren, Erst-Reflektieren und Dann-Entscheiden-was-man-tut.

Übrigens, für die, die es noch nicht kennen: Eine hohe Form des Glückes lässt sich auch durch die geringfügige Fähigkeit des GEBENS gewinnen (das hohe Glücksgefühl des Gegeben-Habens-und-dafür-Lachen-und-Herzenswärme-Erntens) - ein nahezu verkümmertes Gefühl in einem sich betäubenden Kollektiv. Ob Nehmermentalität oder Gebermentalität ist eine Frage der Grundrichtung. In beiden Fällen bekommt man die Entsprechung zurück.

Von den Botenstoffen Dopamin und Serotonin ist - wie gesehen -abhängig, ob unser Hirn überhaupt Glück empfindet. Dies kann man bei einer Meditation oder etwas meditationsähnlichem spüren, auch hier werden diese Stoffe ausgeschüttet, es geht lediglich darum, sich eine plausible Methode auszusuchen, Glück auch empfinden zu können. Dabei geht der ganze Organismus in einen ausgeglichenen Zustand über, den das Gehirn als angstfrei, entspannt und wohlig deutet. Ähnlich ist es bei körperlicher Aktivität: Sport, Joggen oder Tanzen heben die Laune, weil das Gehirn vermehrt Serotonin und Endorphin ausschüttet. Folglich ist Glück vom Körpergefühl abhängig. Die Botenstoffe werden auch bei Sport, Meditation oder einem abwechslungsreichen, aufregenden Alltag aktiviert. Man kann Glück wie eine Fremdsprache lernen und trainieren. Freude, Lust, Aufmerksamkeit, Neugier und Lernen sind untrennbar miteinander verbunden. Deshalb ist es wichtig, sich um menschliche Beziehungen zu bemühen, Kontraste und Herausforderungen zu suchen und einen aktiven Alltag zu leben, wie es Autor Stefan Klein in seinem Buch "Die Glücksformel" beschreibt. Aktivere Menschen stiften in ihrem Alltagsleben viele kleine Anlässe, um sich wohl zu fühlen und sich zu freuen - und das tun sie kontinuierlich. Bewegung, Erleben, Gebraucht werden, Freunde, Beliebtheit, Anerkennung sind die Rezepte.

 Aktiver Alltag
 Aktive Menschen sind oftmals glücklicher

Mehr Glück winkt auch aufgeschlossenen Menschen und umgekehrt sind glückliche Menschen kreativer. Professor Ruut Veenhoven sammelt seit 20 Jahren an der niederländischen Erasmus Universität in Rotterdam in der World Data Base of Happiness alle weltweiten Glücksstudien und fand heraus, dass glückliche Menschen insgesamt aktivere Menschen sind, deren Selbstwertgefühl steigt, wenn sie sich gefordert fühlen. Sie blühen im Alltag auf, wenn ihre Kreativität gefordert ist Also erstaunlicherweise das Gegenteil vom Lottotraum und dessen Assoziation, man müsse sich nicht mehr bewegen, weil einem Bedienstete die Nägel feilen und 100 kleine Geishas die Füße massieren. Tatsächlich scheinen glückliche Menschen im Mittelwert kreativer zu sein. Veenhoven: "Glückliche Menschen sind weniger ängstlich. Weil sie sich glücklich fühlen, denken sie, ich kann das - und dieses Selbstbewusstsein braucht man, um kreativ zu sein." In Befragungen haben sich einige Merkmale herauskristallisiert, welche die meisten glücklichen Menschen betreffen: Optimismus und ein gesundes Selbstwertgefühl gehören dazu, die Fähigkeit, sein Leben aktiv zu gestalten, Kontakte zu knüpfen und realistische Ziele zu verfolgen; Werte und eine Vorstellung vom Sinn des eigenen Lebens zu finden - und sich bei allem Streben nach positiven Erlebnissen nicht auf das "große" Glück (Lottogewinn, Traumpartner) zu fixieren. Daran kann man gut anknüpfen, wenn man seinen Lebenskurs ändern möchte. Auf diese Weise befreit man sich auch flugs von massensuggestiven Machenschaften.

Glücklich sein kann also jeder lernen, insbesondere durch persönliches Engagement. Das Geheimnis des Glücks liegt, wie wir ja alle genauestens wissen, in der inneren Einstellung, und kann nur da liegen. Man kann frei wählen. Durch Geldträume jedenfalls wird es nachhaltig nicht zu realisieren sein, da Geld in der Menschheitsgeschichte sehr neu ist. Auch ohne Lottogewinn und Ruhm kann man dauerhaftes Glück erlangen - wenn man die Suche richtig in die Hand nimmt. Das Geheimrezept lautet Glück zuzulassen und das eigene Leben sehr bewusst nach den eigenen Glücksmaßstäben auszurichten. Leben hat etwas mit Selbstverwirklichung zu tun, und das ist so subjektiv wie nur irgendetwas. Worin besteht eigentlich Glück für mich? Wer sich hierüber klar ist, findet es leichter.

Es mag klischeehaft klingen, zu sagen: „an den kleinen Gegebenheiten des Lebens nicht achtlos vorüber gehen, weil sich genau aus ihnen das große Glück entwickeln kann", jedoch sollte es von Glückswilligen wirklich verinnerlicht werden. Diesen Satz bloß zu kennen reicht nicht! Malte Hossenfelder gelangt zu dem Ergebnis: Glück setzt Sinngebung voraus. Vom Individuum selbst oder von einer übergreifenden Ordnung (Innen/Außen). Und mit einer geeigneten Bedürfnisökonomie lässt sich Glück erhöhen. Seines Erachtens hat die immer weiter fortschreitende Bedarfserregung nur Unglück zur Folge. Also Bedürfnisreduktion als Fazit: ein recht trauriges Fazit, aber auch eine echte Chance, vielleicht die einzige! Es geht ja um Viel!

 

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