Gewiss, zur autostimulativen Stimmungsaufhellung benötigt der Mensch  den Traum vom ewigen Wohlstand, sonst würde er wohl weniger planvoll funktionieren, aber wie gewappnet ist er dann für die klare Erkenntnis, dass es leider niemand geringeres als die Mehrheit treffen wird, die ihren Traum von der luxuriösen Trutzburg brutal und unerbittlich verfehlt. Neuesten Meldungen zufolge („Prekariat-Diskussion") sind 13 % der Deutschen entweder arm oder von Armut betroffen. Das sind 11 Millionen der Bevölkerung, welche sehr ernsthafte, tägliche Geldsorgen haben bzw. soziale Ausgrenzung erfahren (Bundsamt für Statistik). Die Rufe der Glücksrepräsentanten und Glücksversprecher aber werden stetig lauter und überdimensionierter, weil natürlich auch sie mitten im Wettbewerb nach Beute für sich selbst stehen! Lotterien, Jackpots, Preisrätsel, Traumreisen, Tele-Gewinnspiele, Wohlstandsversprechen, Güterzüge voller Industrieplastik usw. Die Expansiv-Konzerne haben es verdammt gut im Griff. Dabei handeln die landeseigenen Lotteriegesellschaften im Deutschen Toto- und Lottoblock wie Gewinn- und Umsatz maximierende Unternehmen, die überall im Glücksspielmarkt durch aggressive Werbemethoden sehr aktiv sind. So schmutzig-geschickt und trickreich, wie sie uns Glück versprechen, dabei ihr eigenes meinen, können wir nur darauf reinfallen und verlieren. Egal welche chancenlosen Gewinnspiele angeboten werden, die Gelder gehen flugs in die Chef- und Planungsetagen, zu denen, die die neuesten tiefenpsychologisch durchdachten Verbraucher-Verhaltenserkenntnisse praktisch anwenden und unten beim Auf-sein-kleines-Glück-Hoffenden Rubbelloskäufer mit einer kalkulierten Selbstverständlichkeit die Nieten in Serie landen, weil niemand nach halten kann, wie viele Gewinne wirklich ausgeschüttet werden. Es lässt sich aus der Systematik menschlichen Grundverhaltens ohnehin nur schwer vorstellen, dass sich irgendein Wohltäter bei völliger Aufgabe seiner eigenen Interessen - wie es stets propagiert wird - für anderer Leute Glück einsetzt. Würde jemand das tun, würde er mehr Sorge hinsichtlich Spielsüchte seiner Zielgruppe äußern (die vorgegaukelte Sorge ist nicht mehr als Alibi). Natürlich wird auch hier jederzeit auf den mündigen Bürger, der jederzeit frei entscheidet, gesetzt, jedoch packen sie diesen spielerisch bei seinen Träumen. Die Pressesprecherin von "Lotto Hamburg" etwa rechnete in einer Stellungnahme (Hamburger Abendblatt, 13.10.06.) bezüglich eines 29-Mio.-Jackpots mit einer „100-prozentigen Umsatzsteigerung". Die 29 Millionen Euro würden auch Menschen „anlocken", die sonst nie Lotto spielen." Nicht zu ignorieren ist auch das Zusammenspiel zwischen Medien, dem staatlichen Fernsehen und den staatlichen Lotteriegesellschaften. Die staatlichen Lotteriegesellschaften erwirtschaften Milliardeneinnahmen durch die Lotto-Spiele, die schließlich im öffentlich-rechtlichen TV bekannt gegeben werden. Hier werden im Block Träume suggeriert.

Im Ergebnis lässt sich festhalten: Was man sich erwünscht, scheint nicht möglich und das ist für den logisch operierenden Durchschnittsverstand auch keineswegs unmöglich zu erfassen. Trotzdem existiert dieser ungeheure Antrieb, reich zu werden und der beste Indikator dafür ist die turnusgemäße Monstranz: Jackpot-Histerie. Die Wunde muss also tiefer liegen und tiefsten Urmotiven entspringen. Einem durchschnittlichen Eitelkeitswesen geht es schlichtweg um die Abgrenzung zu anderen, um für die eigene Würde an Bedeutung zu gewinnen. Es darf niemals geringer da stehen als seine homogene Gruppe. Diese narzisstische Kränkung setzt diesem Wesen, was immer der andere ist, schwer zu. Auch das unterrangige Motiv, sich lediglich eine kleine Steigerung von Lebensqualität zu sichern, kann für eine derartige Jackpot-Histerie nicht auslösend sein!

Jackpot 

Die Sucht nach Millionen läßt viele zu Jackpot-Junkies mutieren


Hierzulande hat sich innerhalb einiger Dekaden sukzessive eine fetischisierte Götzenanbetung des Materiellen breit gemacht: Ein Haus, einen schweren Wagen, edle Vertäfelungen als Innenverkleidung der eigenen kostbaren vier Palastwände, Swimming Pool und jede Menge soziale Beachtung. Der Begriff vom „Ich-habe-es-geschafft" bezieht sich in unserer Sozialisation hervorgerufener Wünsche für die Mehrheit ausschließlich auf materiellen Wohlstand und Zusatz-Assoziationen wie: „nie wieder arbeiten, sich bedienen lassen, sich mit kostbaren Dingen umgeben, ebenso, wie es von verblendenden Stellen visuell gepredigt, vorgetäuscht und einzig von ihnen vorgelebt wird.

Entspringt dies dem Wunsch nach sozialer Sicherheit, nach Geborgenheit oder ist es eher bloße Bequemlichkeit, die ein Weg des geringsten Widerstandes mit sich bringt? In der Tat: Wir sind durch den Mechanisierungsprogress zunehmend auf die Nutzung externer Energiequellen fixiert (Elektrogeräte, Unterhaltungselektronik, Automobile) dass wir eigene Energien nicht mehr aufwenden mögen und zum bequemen Wesen mutierten, so dass wir natürlich immer weniger auch in der Lage sind, eigene Energien zu mobilisieren. Ein weiter zu beachtender Aspekt ist, dass „Cocooning" im eigenen Luxusdomizil soviel innere Schwere erzeugt, wie sie ausreicht, sich weder für Rettungspolitisches noch soziokulturell Wesentliches zu mobilisieren, insbesondere weil man noch mehr mit Materialpflege und -schutz beschäftigt ist, und weil das bewusste Umschlossen-Sein ja gerade der Distanzierung dient, erst recht, wenn man dann noch dem Irrglauben eines eingetretenen Endzustandes unterliegt. Das macht sehr, sehr träge und man kann es sich noch so schön reden, um uns herum verändert sich die Welt und Status Quo ist, dass Bedrohungen zunehmen, und man meint, man hätte durch einen Lottogewinn einen Freibrief hinsichtlich dauerhafter Unangetastetheit. Wer lehrt einen so etwas, wenn nicht ein falsch verstandenes Lehrstück aus der real-existenten Kapitalismusschule? Das sind Götzen der Fatalität, auf die hier gesetzt wird.

Unter genauester Betrachtung und ehrlichster Reflexion dient Materielles als vollwertige Kompensation für fehlende Akzeptanz beim nachbarlichen Beobachtungspartner, fehlende Beweglichkeit (Disziplin) und vor allem Langeweile bis Inhaltsleere, also Sozialisationsbegriffe von erheblicher Schwere, die sehr deutlich den Preis kennzeichnen, den unsere Gesellschaft zu zahlen hat. Verarmte, in der Hälfte durchgeschnittene Wesen, Kompensationswesen, die das Wesentliche zu jeder Zeit ausblenden.

Im Grunde wissen wir es längst: Geld macht natürlich nicht glücklich, auch wenn einige Sorgen lebensorganisatorischer Natur entfielen und „einige Dinge angenehmer" würden, wie es allgemein gern heißt. Gleichwohl gibt der Durchschnitts-Befragte bei Umfragen an, er bräuchte nur 20 Prozent mehr Geld, um „endlich glücklich zu sein". Allein das Wort „endlich" ist hierbei aussagekräftig. Langzeitstudien kommen bekanntermaßen zu anderen Ergebnissen: Zwar werden Gewinner einer üppigen Lottosumme kurzfristig glücklich, doch spätestens nach einem Jahr fallen sie auf das ursprüngliche, wenn nicht sogar auf ein niedrigeres Niveau des "subjektiven Wohlbefindens" zurück. Nach einer Weile stellt sich ein Grauschleier ein und die Lebensroutine geht ihren gewohnten Gang. Das Belohnungssystem im Hirn wird nicht mehr gereizt, folglich kann es auch kein dauerhaftes Stimmungshoch geben. Eine „Erlösung" oder ein Endzustand von „Geschafft" wird somit immer unwahrscheinlicher.

Also wozu dann alles Streben, wenn man sowieso wieder die Lust verliert oder sogar Depravation erleidet. Wozu, wenn wegen Geld Familien auseinander brechen, gestritten, geprügelt, gemordet und gestohlen wird, oft auch Fahrlässigkeit und Überheblichkeit zum Konflikt mit dem Gesetz führt, und für viele am Ende die große Einsamkeit steht - wozu dann diese Form der Sinngebung? Also was passiert hier mit uns? Warum erscheint uns dieses Wertefalsifikat so sehr plausibel und warum fallen wir so sehr auf all das herein, und wo ist der Mechanismus, der dafür sorgt, dass wir zum Verrecken nicht wahrhaben wollen, dass Materielles uns nicht glücklich macht? Was macht es uns so schwer, solch schwerwiegende Maximen aufzugeben? Hat die Selbstentfremdung einen gefährlichen Grad von Gleichgültigkeit erreicht, so dass wir unbedingt in den brodelnden Kochtopf springen wollen? Offensichtlich wollen wir es schweinisch, obwohl es uns - logischen Verstanden klar- nichts hilft und wir uns damit selbst diskreditieren. Menschen müssen spielen! Es bleibt nach vorzeitlichen Menschenopfern und blutigen Tieropfern nur noch das Spiel - eine Ersatzhandlung. Spielsucht führt zu gravierenden mentalen Änderungen, daher wohl im Schulterschluss mit Konditionierung die Verblendung und das krampfhafte Festhalten am Irrglauben.

 

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