Die Ballade vom großen Glück - Abschnitt II
Glück bedeutet für jeden etwas anderes: eine stabile Beziehung, der erste Sonnenstrahl am Morgen, der Kick eines Bungeesprunges, eine Banane während eines Marathonlaufes oder der Genuss des Musikantenstadl. Widmet man sich abweichend zum materiellen Totalglück den Nichtlottoverfallenen mit simpleren Wünschen, sticht möglicherweise ein gesünderer Glücksbegriff hervor.
Ein bunter Strauß der Glücksvorstellungen öffnet sich auch dort, wo gänzlich andere Formen der Erwartung an das Leben ausgesprochen werden, und es um ideelle Begriffe wie: soziale Sicherheit, Gesundheit, Partnerschaft, Jobliebe, Hausfrieden geht. Auch in diesen Sektoren warten Legionen von Willigen auf das große Glück, was ganz bestimmt noch kommt, ja kommen muss, denn: „diese ärmliche Existenz bis hierhin kann ja wohl nicht alles gewesen sein, darf nicht alles gewesen sein". Ein Solches wäre auch nicht verkraftbar, solch Dekonstruktion. „Da muss doch noch was sein...,... wir sind doch Menschen, Menschen müssen doch genießen und jetzt leben, andere machen uns das doch vor". Die innere Vorstellung vom Glück korreliert mit der subjektiven Erwartung an das Leben. Es handelt sich also um eine philosophische Frage entscheidenden Ausmaßes.
Der individuelle Glücksbegriff weist mannigfaltige Facetten aus: Wieder gewonnene Gesundheit, zurück erhaltener Führerschein, gerettete Lebensperspektive, überfällige Ausbrüche aus dem Zwangskorsett, ein langes auskomponiertes Musikstück, anstelle eines 3-Minuten-Smash-Hits aus dem Radio - jeweils durchaus subjektive Empfindungen. In allen Fällen stellt sich ein Hochgefühl ein, das Belohnungssystem wird gereizt.
Weitere Glücksvorfälle: Der Daddler, der schmerzhaft unter einem Münzhaufen begraben wird, der internationale Handtaschendieb, der eine Rentnerin folgenlos berauben konnte und nicht erwischt wurde, obwohl viel Angstschweiß floss, der 85jährige Theaterschauspieler, der es noch mal wissen will, und vor 4 Zuschauern spielen darf, der Obdachlose, der etwas im Müll findet. Und noch: Glück gehabt, Prüfung bestanden! Glück gehabt, gerade noch einmal davon gekommen! Oder: Der schüchterne Schumpeter, der seit Jahren vergeblich versucht, in seiner Clique, die stets imposant vor ihm steht, als richtiger Mann anzukommen, und ebenso hart sein möchte wie Bugsy, der rüde Anführer. Wenn Schumpeter es auf einmal vollbringt, durch eine günstige kosmische Konstellation, unfreiwillig einen gelungenen Schenkelklopfer zu landen, weil er rein zufällig gerade den Nerv der Stunde getroffen hat und alle lachen, dann wird er (sein Parasympathikus) durchströmt von beglückender Energie und Hochgefühlen. Er wird in diesem Moment sein Lebensziel erreicht haben - also angekommen! Während jedoch andererseits die längst wohlhabende TV-Ikone Harald Schmidt vermutlich genau dann von einer Glücksflut überzogen sein wird, wenn er in Jeans auf der Straße einmal nicht aus dem fahrenden Auto mit „Hey, Harry, weiter so" angeschrieen wird und sich nicht quälgesichtig mit schmalen Lippen eine schmerzende Freundlichkeit abringen muss, bei der - bis auf eine marginale Notreserve- lediglich die Gesichtsmuskeln angespannt sind, die sonst nur bei schockierenden Ereignissen beansprucht werden, dann ist das sein Großes Glück.
Inneres Glück zu finden kann einfach sein |
Wie zu erkennen, kann Glück etwas sehr Leises und doch sehr Entscheidendes sein. Hat man es, ist man in vielen Fällen trotzdem nicht zufrieden oder in einem solchen Rausch, dass man jegliche Bodenhaftung und damit seine Handlungsfähigkeit verliert. Seit geraumer Zeit sind Forscher der positiven Lebensqualität auf der Spur. Der Kölner Glücksdetektiv Peter Pisslich etwa schreibt beim Thema Glück: Gesundheit, Reichtum, Karriere - es gibt keine allgemeingültige Vorstellung davon, doch jeder bezeichnet dieses spezielle subjektive Gefühl mit dem gleichen Wort: "Glück". Hat jede Form von Glück also den gleichen Ursprung? Glück wird in sämtlichen Studien als ein intensives, positives Gefühl definiert. Es konnte sogar nachgewiesen werden, dass jedem Gefühl ein eigenes Muster der Hirntätigkeit entspricht - auch dem Glück, das sich meist in unserer linken Hirnhälfte regt. Die Empfindungen in unserem Gehirn gleichen jedoch eher einem Orchester: Die Affekte können miteinander, nebeneinander oder gegeneinander arbeiten. Ein emotionales Hoch hängt davon ab, ob das Glück die erste Geige spielt. Glücksempfinden ist hirnchemisch und entsteht durch Hormone wie Serotonin, Dopamin Endorphin. Sie steuern, wie allgemein bekannt, unsere Gefühle und aktivieren oder retardieren das Belohnungssystem.
Lässt sich auch ohne Lottoträume am Glück aktiv arbeiten, ist es planbar? Kann man es sich physikalisch, durch Vorverhalten verdienen? Könnten dann selbsternannte Pechvögel an ihren ritualisierten Begrifflichkeiten arbeiten? Mit welcher Methode lässt sich denn die ständige Unzufriedenheit verbannen und wirkliches Glück erhaschen? Die Autorinnen Susanne Schwalb und Barbara Imgrund jedenfalls gehen davon aus, dass es Methoden gibt und regen ihre Leser zum Nachdenken an, wie man sein Glück fördern kann, etwa beim Thema "Chemie des Glücks": es lässt sich die Bildung der stimmungsaufhellenden Endorphine sowie der Neurotransmitter Dopamin und Serotonin durchaus beeinflussen, zum Beispiel durch regelmäßige Bewegung - möglichst an der frischen Luft -, durch Singen, Lachen, oder Schokoladengenuss, ja selbst durch Weinen. Es ist demnach offensichtlich möglich, mit einer Mixtur aus Emotion und Aktivität das subjektive Hochgefühl selber zu steuern, es scheint zu funktionieren!
Zufriedenheit speist sich nachhaltig lediglich aus innerer Balance, dem inneren Kosmos. D.h.: innere Unruhe und Konflikte vermeiden, Kleines genießen, etwas Leises, verbunden sein mit der Natur, in Ruhe gelassen zu werden, von den kalten und lauten Zudringlichkeiten der turbulenten, ökonomisierten Welt.
Dies lässt sich auch ohne viel Geld gewiss genießen, solange nicht Irre, hochgradig schizophrene Zerstörer, Gewaltmenschen, Kolonialherren, Bombenleger und globale Soziopathen aus Hochfinanz und Politik irgendwie geartete Bomben auf dem gebeutelten Planeten zischeln lassen. |
Glücklich sein will jeder, das ist legitim und die Suche eines jeden nach seiner Portion persönlichen Glückes ist nicht im Geringsten anzuzweifeln, geht es jedoch um ein träumerisches Etwas, also um im Grunde überzogene Erlösungskonstrukte wie z. B. Villa im Kolonialherrenstil, Drinks im Liegestuhl, sich dauerhaft mit Schönem und Bediensteten umgeben, nie wieder arbeiten oder sich überhaupt bewegen, wird es für einen Gefangenen eigener überirdischer Erwartungen gefährlich und schlägt folgerichtig ins Gegenteil um, schlicht weil ein so gedachter Zustand physikalisch nicht dauerhaft zu halten ist. Diese letztendliche Negativität kann nur aufgelöst werden, wenn man achtsam und offen bleibt, um den Geist zu sammeln. Man wird dann erst endlich beginnen können, sich mit sich selbst wohl zu fühlen. Es geht um das vernünftige Maß! Also letztendlich den gleichen Mechanismus im Kleinen, den im Großen etwa gierige Wirtschaftskapitäne bzw. globale Feudalherren transnationaler Konzerne vermissen lassen. Die Macht des Geldes bleibt die Macht des Geldes.