Es ist dies ein System, eher ein Prinzip der suggerierten Unzufriedenheit, ein Käfig erzeugter Bedürfnisse welcher uns beherrschbar erst macht. In dieser Gesellschaft gibt es das Phänomen der personifizierten Macht nur als Begleiterscheinung. Das ungute Gefühl kommt erst auf, da Macht hierbei unpersonifiziert-namenlos, „teuflisch", unreflektierbar, „unbeherrschbar" scheint. Eine Macht, die streng besehen auch niemand zu wollen scheint, die jeder abstreitet, vor allem wenn er sie doch offensichtlich besitzt. Es liegt hierbei ein ganz und gar diffuser Einschränkungsmechanismus vor, es ist ein System oder Prinzip der Angst in dem jeder Angst hat, etwas den Anschluss zu verpassen, arbeitslos zu werden, unterzugehen, oder sonst irgendeiner Angstphantasie zu erliegen und eben oder vor allem den Reichen und Mächtigen geht dies hier und heute so, ihre Unzufriedenheit ihr Mängelbewusstsein, ihre Angst strahlt paradigmatisch nach außen ab.

Angst lässt sich nicht besiegen und nicht beherrschen, mit solchen Mechanismen verstärkt man sie nur, als Reflex auf Stress, ist Angst wahrscheinlich der Grundlebenserhaltungstrieb schlechthin, man kann und sollte dieses Verhaltensschema nicht einfach abschalten, aber man muss es kennen und einschätzen können, man muss mit Angst umgehen können. Die zu unreflektierte Ich-Manifestation ist das Problem, sie gebiert negativ wechselwirkend den Stress der Angst als das Syndrom unserer Gesellschaft. Man muss sich vergegenwärtigen: Das klare Bewusstsein ist des Menschen Begabung, ein Talent was man aber fördern muss, sonst bleibt nur der Hormonpegel als Grund unseres Tuns.

Deswegen ist ein von innen heraus, im eigentlichen Verständnis ansetzendes, Selbstbewusstsein somit ein implizites Welt(an)erkennungsprinzip nötig. Man muss im Kleinsten damit beginnen - jeder bei sich und nur für sich, absolut unparteiisch, ideologiefrei. Denn das Schlimmste was man diesem Prinzip der modernen Beherrschung antun kann, ist nicht der Widerstand, sondern das Nachgeben in indifferenter, total vereinzelter, begriffloser Form, das Es-Zulassen von außen einwirkender begrenzender Faktoren, durch ein irgendwie von sich selber absehen lernen. Und das geht eben nur mit einer ungebrochenen Identität, wenn man sich selbst liebt und akzeptiert, wenn man einen Glauben an sich hat, wenn man derart souverän ist und den morgendlichen Blick in den Spiegel dankbar annimmt und das alles nicht peinlich findet.

Dies gerade, weil ja hinter all dem ursächlich kein Pilot, kein Diktator, keine Herrscherkaste steckt, vielmehr dies Produkt einer allgemeinen Hysterie ist. Und dennoch, gerade deshalb sollten die eigensten unmittelbaren Aktionsradien tätlich in Anspruch genommen werden. Das Jeder-für-sich-Gutes-tun entzieht sich der Intoleranz, der Einschränkung - der fromme Mann als Häftling, der Selige lässt sich nicht foltern, er ist nicht weiter bestrafbar und so ist dieser der erste, er wirkt als Umkehrvorzeichen globaler Zusammenhänge des Übels. Damit wird der von außen einwirkende Faktor, in seiner Verfügungsgewalt herabgesetzt, er wird immer wirkungsloser. Das wäre die Freiheit, welche uns mit der Existenz gegeben wurde, dessen Preis die Eigenverantwortung im Sinne der Allgemeinheit ist, wo man aber eigentlich auch keine Wahl hat, was eben darum so derart zivilisatorisch verkorkt wird? Alle machen und tun und machen und tun und immerzu wird gehämmert, gedrängelt, entworfen, projiziert, geplant, verbessert, realisiert, verschönert, alles dreht sich und dabei diese ewige Beckmesserei, Entlohnerei, Geldverdienerei und keiner checkt, dass Leben für sich genommen auch schon eine, vielmehr "die Sache" ist, welche zu tun ist und keine sonst. Dieser ewige Vorsorge-, Brassel-, Hamster-im-Laufrad-Notorik-Trieb ist doch reine sch...!

Der Stachel sitzt tief, es schaffen zu wollen, zu müssen, man denkt sich von nun an nur noch als kritisch, Ich-Krise als Dauernormalzustand, wenn man einmal glaubt schwer erziehbar zu sein, an sich schlecht zu sein, dann bleibt einem nur der Abgrund, die Bosheit als zynisches Identifikationsschema und Erfolgsrezept, wir sind dann da alle wie verhaltensauffällige Kinder im Erziehungsknast. Bezahlt wird nach Leistung, die Mutprobe als Eingangsritual. Menschenverachtung ersetzt Glaube, Liebe, Hoffnung. Sich anhand ebenso übergroßer Ansprüche des Nächstenliebe Programms als Sündiger und allzu Menschlicher, Abtrünniger, zu Züchtigender zu denken wäre ebenso falsch. Richtig ist, dass man es einfach nur probieren soll, als gespeicherte Handlungsmaxime, nein, als Gefühl im Gewissen gespeichert, immer möglichst präsent, anstelle komplizierter Regelwerke des Benimm, gilt nur noch dieses Gefühl der Hoffnung, der gelebten Liebe, der Dankbarkeit. Es geht auch nicht darum, die Fehlbarkeit des Einzelnen rein zu sprechen, die Welt ist nicht ideal - so gedacht nicht rein - es wird an sich nichts von einem verlangt, denn es, das ureigene ist ja so eigentlich nicht präsent. es lässt den jemanden als Teil seiner selbst ja so auch in ruhe. Nur, vergessen lässt sich das Gefühl, vom Guten und Wahren abhängig zu sein nie. Und das Gute ist darum immer Programm jeder Selbstrechtfertigung. So drängt das Gewissen, das Gute nicht getan zu haben, noch dies jemals ausreichend tun zu können. Es bleibt nichts als der gute Wille übrig, die Lust am Gutes-tun, wenn es dann klappt, ist weniger immer noch eben besser als nichts, man lernt, dankbar dafür zu sein. Sicher, ein Zuviel gibt es hierbei nicht, aber auch nie ein Genug, man muss das einfach nur mit sich selber, seinem Gewissen ausmachen, Entschuldigungen gibt es daher aber auch keine.

Wir Menschen müssen verstehen lernen, dass wir immer schon längst genug wissen, um Gerechtigkeit, das Gute empfinden zu können, es ist abstrakt und angeboren, und eben keine Definitionsfrage. So gesehen ist dem Menschen die Kultur, die Fähigkeit dazu in die Wiege gelegt. Das Problem liegt viel eher darin, das ererbte aus der Kultur, sein Potential zu verwalten, hierbei ein Gleichgewicht herzustellen oder zu bewahren. Die Sache ist die: Das Maß der Dinge liegt nur in einem selber, als persönlich privates Gerechtigkeitsgefühl, individuell, angeboren als „Naturrecht". Dieses Urteilsvermögen bei sich (wieder) zu erkennen ist die einzige Aufgabe des vernünftigen Menschen, gebunden an die persönliche Erkenntnis der Freiheit und der daraus entwachsenden Verantwortung. Und dann... - von hier ab geht es wie immer erst los. D.h.: Philosophie baute immer schon lediglich auf dieses Bewusstsein persönlich empfundener Freiheit und der daraus erwachsenden Probleme, in ihrer Argumentation auf. So gälte eben gerade, dass Weisheit eigentlich immer gleich bleibt und somit als Reales, Eigentliches nur akzidentiell erkennbar bleibt, lediglich ihr philosophisches, sprachliches Gewand hat sich also verändert. Diese Einsicht ließe Philosophie als Interpretation des Unausweichlichen, Unbeschreiblichen, Unabdingbaren im Sinne dessen Lebbarkeit zur alltäglichen Grundübung werden.

Der Mensch, er muss doch sprechen von dem was er ist!

 

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