Art Rock in Düsseldorf
Interview mit der Band: „Shades of Dawn"
Die Progressive-Rockband: „Shades of Dawn" aus Düsseldorf ist nach längerer Pause bzw. Besetzungswechseln wieder komplett. Live waren die Bombastrocker im neuen Line-up erstmals am Samstag, den 11.8.2007 vor 300 Zuschauern in Düsseldorf auf dem Sommerfest der Theodorstrasse zu sehen. Ihr neues, auf dem französischem MUSEA Label erschienenes, Album: "From Dusk till Dawn" (FGBG4692) ist mittlerweile bei etlichen Versandhändlern erhältlich, z.B. bei "Just for Kicks", "JPC", "Empire Music" oder "Collectorrecords.de". Denkotainment traf sich mit den neu formatierten Düsseldorfer „Bombastikern" in Gestalt ihres Lead-Sängers und Gitarristen Hans-Jürgen Klein zu einem Interview.
Hans Jürgen Klein
Die Düsseldorfer Progressive-Rock-Band „Shades of Dawn sind:
Hans Jürgen Klein, Ges., Git. |
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Klaus Lohr, Bass | |
Chris Struwe, Drums, Ges. | |
Peter Schneider, Keyb., Ges. | |
Bernard Marx, Keyboards |
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& Saxophon |
D.: Hallo Hans-Jürgen, ihr seid jetzt also komplett und wieder da - herzlichen Glückwunsch zu eurem gelungenen Auftritt. Wie fühlt ihr euch nach dem Auftritt? War das für euch ein erfolgreiches Comeback?
H. J.: Ja, ich denke schon. Die Band ist sehr gut angekommen, auch im neuen Line-up. Wir fühlen uns bestätigt und sind zu neuen Taten motiviert.
D.: Die Band-History auf eurer Homepage liest sich recht abenteuerlich - ist die Talfahrt nun überschritten?
H. J.: Wir hoffen es. Leider weiß man aber nie, wann es wieder mal einen Musiker woanders hin verschlägt oder sich die berufliche Situation zuspitzt.
D.: Seid ihr immer noch „Geheimtipp", oder habt ihr diese Sphären bereits verlassen?
H. J.: Wir sind sicherlich noch ein Geheimtipp, obwohl uns anscheinend immer mehr Leute vom Hörensagen kennen. Nach Veröffentlichung unserer ersten CD hatten wir einen erhöhten Bekanntheitsgrad und standen in erweitertem Interesse, jedoch durch personelle Gegebenheiten konnten wir nicht die erforderliche Kontinuität an den Tag legen. Mit häufiger rotierendem Besetzungskarussell bzw. ohne bspw. einen Bassisten kann man natürlich nicht auftreten.
D.: Hans-Jürgen, es ist ein neues Album von euch auf dem Markt. From Dusk till Dawn. Die Stücke stammen allerdings aus dem Jahre 1994. Warum erst jetzt die Veröffentlichung?
H. J.: Damals haben zwei Musiker die Band verlassen, und wir waren mit dem damaligen Ergebnis noch nicht ganz zufrieden. Wir wollten die Aufnahmen immer noch einmal überarbeiten, doch mit den neuen Bandmitgliedern an Bord ergab sich einfach keine Möglichkeit. Wir haben das nun eben nachgeholt, und da durch das erneute Drehen des Besetzungskarussels die dritte CD noch nicht fertig war, haben wir uns entschlossen, die fertigen alten Aufnahmen - quasi als Lebenszeichen - jetzt zu veröffentlichen.
D.: Wie steht´s mit dem neuen Album, was macht der Verkauf?
H. J.: Könnte durchaus mehr sein. Da das Album nur auf Bestellung erhältlich ist, bleibt es zwangsläufig auch nur einer aufmerksamen Käuferschicht vorbehalten. Es kann keine Massenverkäufe geben, wenn das Exemplar weder zum Anfassen noch Anhören unmittelbar vorliegt. Das ist sehr schade und da wäre mehr möglich!
D.: Die Musikszene der Kulturstadt Düsseldorf, der „Hochburg für anspruchsvolle Musik", hat es ja nicht leicht. Viele Veranstalter wollen ja keine „Kultur" machen, sondern wollen lieber mit dumpfen Hymnen die Leute zum Saufen und Konsumieren bekommen (die Logik von sachgerechten Gagen für Kunst ganz außen vor). Wie lässt sich das erklären und warum ist insbesondere die Prog.-Szene in Düsseldorf so dünn? Warum funktioniert das lediglich an anderen Stellen gut, bloß hier nicht?
H. J.: Hochburg für anspruchsvolle Musik?? Düsseldorf?? Da habe ich noch gar nichts von gemerkt. Es fehlt definitiv an Auftrittsmöglichkeiten hier. Es gibt keine gesunde Clubszene, in der regelmäßig Konzerte stattfinden. Wenn du in dieser Hinsicht eine gute Band sehen willst, musst du nach Essen, Bochum oder Oberhausen fahren. Und wenn du ein gutes Festival erleben willst, dann musst du nach Aschaffenburg oder Burg Herzberg fahren - die haben es eher verstanden!
D.: Mit Bands wie Sylvan aus Hamburg, Alias Eye(Hannover), RPWL (München), Vanden Plas (Kaiserslautern), Toxic Smile & Dice (Leipzig) und jetzt auch Shades auf Dawn (Düsseldorf) hat sich in Deutschland ein angenehmes Gegengewicht zu der Progszene in England und Skandinavien gebildet. Ist der Prog in toto tot oder gibt es gar eine lebensfähige Zukunft für diese Musikrichtung?
H. J.: Der Prog ist natürlich nicht tot, er wird nur totgeschwiegen. Die Presse hat den Prog in den 70ern gehasst und tut das heute immer noch. Überall werden Künstler und Bands gehyped, die eine total simple und leicht konsumierbare Musik machen. Anspruchsvolleres scheint - auch von den Veranstaltern - unter den Tisch gekehrt zu werden, Hauptsache es werden als einziges Ziel Unmengen Würstchen und Bier verkauft. Das zählt als erfolgreiche Veranstaltung, also ist somit der künstlerische Erfolg.
D.: Erweiternd die Frage, was ist insgesamt das Dilemma des Prog.-Genres, namentlich der „komplexeren Musik" die allgemein ein schwerfälliges Marktsegment darstellt, obwohl sie viel bereit hält. Wollen die Menschen sich einfach nicht damit beschäftigen oder sind die Vertriebs- und Versorgungskanäle zu geringfügig?
H. J.: Ich denke, Letzteres. Es ist eine Insidermusik, die noch nicht einmal alle Insider erreicht. Wenn es die Menschen gar nicht erst erreicht, also gar nicht erst angeboten wird, kann es ja auch nicht angenommen werden, obwohl es künstlerisch hochwertig ist. Außerdem kann niemand etwas mit dem Begriff „Progressive Rock" anfangen. Progressive Rock ist eine Stilvermengung aus etwa Rock, Jazz, Klassik usw..., also eigentlich eine sehr schöne Erweiterung. Man hat sich von dem 3-Minuten-Format gelöst und hat auch mal 20-minütige Epen oder Konzeptionelles erschaffen. Heute sagt man, wir hatten das ja alles schon, aber gleichwohl steckt nach wie vor eine Menge musikalisches Potenzial und Kreativität darin. Soll das etwa keine Rolle mehr spielen?
D.: Hans Jürgen, deine zynischen Kommentare über die Musiklandschaft sind nahezu legendär. Du hast im Zusammenhang mit dem „Mega-Event" Genesis, diese als „Shubidu-Kapelle" tituliert. Müssen sie dich jetzt aufknüpfen oder kannst du noch einen Milchkaffee trinken gehen. Was gibt es zu bemängeln an einem „funktionierenden Megaevent" im Pilgermodus?
H. J.: Na ja, ich verstehe einfach nicht wieso die Prog.-Fans immer noch an Genesis festhalten. Andere Bands (Yes, Kansas, King Crimson, Pink Floyd) wurden gesteinigt, weil sie in den Mainstream abgedriftet waren, obwohl sie trotzdem noch gute Musik gemacht haben. Genesis haben seit fast 30 Jahren kein progressives Album mehr abgeliefert, und spielen live Sachen aus dem Blues Brothers Film, fürs „Wetten dass" Publikum. Da sehe ich mir lieber ein Konzert einer unbekannten Band an.
D.: Eure Machwerke werden stilistisch klassifiziert als bombastische, melodiöse Rockmusik in der Tradition von Bands wie Yes, Pink Floyd, Camel oder Saga. Immer wieder fällt bei euch das Adjektiv bombastisch, wollt ihr diesen Terminus und die Vergleiche oder ist es zu überfrachtend für euch und am ende gar nicht unbedingt erwünscht?
H. J.: Das ist doch auch so, oder?? Wir versuchen das Etikett „progressiv" - was die Zuhörer ja nicht erreicht - zu erweitern mit Beschreibungen unserer Musik wie eben melodisch, bombastisch und anspruchsvoll. Die Verwendung von gleich zwei Keyboardern plus Gitarren, Bass, Basspedals, Drums und Gesang ermöglicht einzigartige Strukturen und gibt den unverwechselbaren, symphonischen Touch, so heißt es!
D.: Der Mut zu Longplayern ist grundsätzlich lobenswert, und diesen Mut habt ihr ja Gott sei dank auch. Das ist dann wohl der Ausdruck eures unbändigen Ideenreichtums?
H. J.: Uns fallen halt immer noch Variationen und weitere Themen zu einem Stück ein. Andere Bands machen da dann mehrere Stücke draus, wir eben nicht.
D.: Einige Kritiker loben die auf einem technisch sehr hohen Level vorgetragenen Instrumentalpassagen, so werden „melodiöse, abwechslungsreiche Kompositionen konstatiert, mehrstimmige Gitarrenläufe, 12-saitige Gitarren, mehrstimmiger Gesang, bombastische Keyboards wie Chöre, Synthesizer und Mellotrone sowie auch atmosphärische, psychedelische Momente und interessante Breaks und Tempiwechsel". Sie bemängeln aber gleichzeitig die „dünnen, etwas schwachen Gesangseinlagen". Es ist teils aufgefallen, dass zwischen Live-Gesang und Studioproduktion doch ein „gewaltiger" Unterschied besteht. Erstaunlicherweise genau andersrum als in der Regel erwartet, also hier live qualitativer als im Studio.
H. J.: Die Stimmen sind genau dieselben. Wenn es live besser klingt, liegt das am PA-Mix. Also zuhause auf einer guten Anlage laut hören, um die Live-Atmosphäre nachzuempfinden!
D.: Du bist ja damals selbst über ein Inserat zu der Band gestoßen. Gesucht wurde ein Sänger. Hat man ihn damals gefunden?
H. J.: Ja. Die Band hatte ja bereits einen hervorragenden Gitarristen und war wohl von meinen stimmlichen Fähigkeiten positiv überrascht, also wurde ich hauptsächlich als Lead-Sänger engagiert.
D.: Wie gehst Du mit Stimmen um wie z.B. Joe Asmodo von eclipsed, dem meinungsbildenden Progmagazin? „ ... in hohen Lagen permanent schief liegendem, ausdruckslosem Gesang und stellenweise fast peinlichen Gesangsmelodien..." oder z.B. Kristian Selm vom Progressive Newsletter? " ... so fällt leider wieder einmal der Gesang, gegenüber der soliden Instrumentalarbeit ab. Zu flach zu schwach sind die vokalen Leistungen... „ oder z.B. Sal Pichireddu von Babyblaue Prog-Reviews? „ ...trotzdem mögen mich die Lead Vocals nicht überzeugen. Sie klingen nicht satt genug, Kleins Stimme scheint mir im Mix etwas zu weit nach hinten gerutscht zu sein vielleicht auch zu Höhen-lastig? - Nur an einigen Stellen hört man wirklich Kleins stimmliche Qualitäten."
H. J.: Diesen Stimmen stelle ich mich gern und füge eine gewissen Katalog von weiteren Stimmen hinzu:
„Gesang und Refrain können mehr als überzeugen. An dieser Stelle muss ich es einfach loswerden, die Verschmelzung der Instrumente und des Gesangs ist bis hierhin nahezu perfekt, die Breaks überzeugend, die Gitarrensoli packend, phantastisch, so stelle ich mir ProgRock vor!!!" - Progressive Corner (Schweiz)
Oder: „Der teilweise mehrstimmige Gesang ist sehr gut gelungen und erreicht auf der Frank-Bornemann-Skala (Eloy) glücklicherweise nur einen sehr geringen Wert." - Empire Magazin. Oder: „Alles sitzt im richtigen Verhältnis zueinander." - Hanf Magazin.
Oder: „Each song sounds like a mini suite carefully arranged and performed with easiness and flavor that sounds like every verse and note is exactly where it belongs." - ProGGnosis USA.
Oder gar: „... complex music until it gets to the vocal parts. This keeps the music accessable while allowing room for experimentation and complexity in the instrumental parts. It worked for Yes, and it also works for Shades of Dawn." - Gibraltar Encyclopedia of Progressive Rock. Und: "This is a major band with a big sound and hopefully a big future ahead of them." European Progressive Rock Reviews - UK
Es ist halt das altbekannte 50:50-Syndrom. Ich möchte auch einmal erwähnen, dass viele Leute per se keinen hohen Gesang mögen, allein dadurch entstehen übereilte subjektive Bewertungsimpulse. Manche bevorzugen anscheinend bedeutungsschwangeren, tiefen Gesang und das sogar ohne richtige Melodie. Dort gibt es in der Tat Vertreter, die nicht singen können. Ich orientiere mich eher an Sängern wie David Byron (Uriah Heep), Ian Gillan oder Steve Perry (Journey). Auch ein Sänger wie z. B. Klaus Meine (Scorpions), ein hervorragender deutscher Sänger, wird hierzulande wegen seines angeblich schlimmen Akzents belächelt. In den USA interessiert das aber niemanden.
D.: Wie ist der Ausblick? - Ihr seid mitten in den Aufnahmen zum dritten Album, das benannt ist nach dem mehr als 20-minütigen, klassisch orientierten Opus „Graffity's Rainbow".
H. J.: Wir arbeiten mit Unterbrechungen daran - durch die Umbesetzungen wurden wir immer wieder aufgehalten. Wir gehen davon aus, die Aufnahmen bald fertig stellen zu können. Die Leute, die bis jetzt schon mal die Rohversionen gehört haben, waren sichtlich beeindruckt. Wir sind noch bombastischer geworden. Das wird unser bestes Album werden.
D.: Was macht der gemeinsame Auftritt mit Jane in Jever, Ostfriesland?
H. J.: Jever am 8.9. steht - vielleicht wird mehr daraus! Jedenfalls freuen wir uns, gemeinsam mit der Deutsch-Rock-Legende Jane auf der Bühne zu stehen und den Jane-Fans unser Musik präsentieren zu können.
D.: Hans Jürgen, danke für das Gespräch und alles Gute für die Band!
Das Album "From Dusk till Dawn"
ist u. a. bei Versendern wie Amazon, JPC, Just for Kicks. Empire Music und Pandora's Box sowie auch bei der Band direkt erhältlich.
Und: Der Shades of Dawn Klassiker „The Dawn of Time" mit seinen vielfach gelobten Kompositionen wie „Plenty of Gold", „I don't understand" oder „Ulysses Rollercoaster" - Early Birds EB003.
Band Webseite: www.shades-of-dawn.de