Nach dem Stück „Beautyful" ist Platz für eine Phase der für sie doch eher ungewöhnlichen Modifikationen. Vocals und Gitarre werden teils etwas breiter angelegt. Normalerweise gibt es so etwas bei ihnen nicht. Sie transportieren das jeweils neue Album regelmäßig 1:1, meist doch immer wieder ohne aufdringliche Zusätze, die zwar sehr schön sein, aber auch manchmal verdammt ins Auge gehen können. Ihre hiesigen Modifikationen sind zwar nicht unbedingt störend, aber auch nicht zwingend geboten, verfälschen lediglich etwas den gewohnten Turnus. Diese Konzert-Phase beginnt mit dem Hymnen-Klassiker „Easter". Das Publikum dreht fast durch - bei Altbewährtem singt man eben gern den Text mit, ist ja für einen selbst. Gitarre wird im 2. Teil des bedeutenden Solos ausgeweitet. Dann: "Between you and me". Das Publikum wird, weil als Finale konzipiert, zum Mitklatschen aufgefordert. Vokale Animationen zum Hinterher singen plus Piano folgen, auch dieses Stück etwas modifiziert. Große Luftballons fliegen und viel Tanzen herrscht im Publikum.
Dann direkter Übergang in das brachial rockige, knüppelharte „Most Toys" des neuen Albums bzw. die Extended-Version dessen, was den offiziellen Teil als Highlight beenden soll. Zeit für einige Hogarth-Kapriolen, der sich ja immer mal die Gitarre für leicht unterstützende Maßnahmen umschwingt. Er reckt die Gitarre Rockstar mäßig in die Luft. Nach diesem Stück ein sehr langer knallender Gitarrenabgang plus lights out/ lights on-Stakkato. Die Lightshow gut und üppig verfasst, haben sie sich hier richtig ins Zeug gelegt, um die Show auf nachhaltige Weise zu beenden. Sie gehen zunächst. Dann natürlich, Zugabe: „Separated out" auch rockig, mit treibenden Rhythmen, fast soulig, ein bisschen wie Tina Turners „Nutbush City Limit". Dabei: Tanzen, Springen, und viel Perfomance von Hogarth.
In dieser hinteren Phase des Konzertes ist sein Gesang sehr in den Vordergrund gestellt und Effekte (irgendwelche Stimmen- u. Lachsackgeräusche) werden in den Hintergrund gemischt, gewissermaßen als „Extended Vocals" und es ist nun insgesamt auch recht laut geworden.
Für das nächste Stück drehen sie noch mehr auf, sind fast wie durchgeknallt. Niemand weiß, wie es heißt. Es ist neu, wahrscheinlich auf dem schon anvisierten neuen Album 2008 platziert. Es hat ein bisschen was Folkloristisches, im günstigsten Fall ist es Pop. Prog. ist es auf keinen Fall! Aber ihr Repertoire war zuletzt tendenziell ja ohnehin auf Pophit getrimmt. Der Refrain lautet: „end of the day" o. ä. und wird dahin gekreischt. Das war´s dann! Trotzdem: insgesamt ein fettes Konzert mit viel Licht und wenig Schatten im wahrsten Sinne des Wortes ein zarter Lightshow-Glam?
P.S.:
Es gab auch eine Vorband. „Sternkin". Sie sagten: „Ihr kennt uns nicht" und so war es in der Tat, was ja nicht das Geringste heißen muss. Ob man sie aber unbedingt kennen sollte? Es wäre bestimmt beleidigend, zu konstatieren, dass die Vorband taktisch gewählt sein könnte, lediglich um den Kontrast zu Marillion noch zu erhöhen. Wenn dies aber nicht, welche Funktion hatten sie? Viel wurde von dieser Vorband bei ihrem 30-minütigen Auftritt wirklich nicht geboten, zudem war ihr schrammelig-krachiger Softrock getragen von schlechtem Sound bzw. von Scheppern und fehlender Abstimmung zwischen den Instrumenten. Das letzte Stück war dann eine üppig-poppige Ballade mit E-Piano-Passagen, die zum Teil an Supertramp erinnerte, allerdings: dieses letzte Stück war richtig gut, wies eine schöne Komposition auf. Sie gingen, es wurde gejubelt und dann waren sie weg! Zum Warmmachen hat es nicht so richtig gereicht. Auf jeden Fall entstand im Nachhinein ein Riesenkontrast zum Headliner und sie haben gewiss noch ausreichend Zeit, sich zu entwickeln.
Sternkin
zur Vertiefung für Marillion-Freunde:
Die bekannte Rockband Marillion gilt als Begründer des Neo-Prog, eine in den 80er Jahren aufkeimende Form des Progressive Rock. Progressive Rock und Art Rock sind Stilistiken, die in den Medien sehr vernachlässigt werden - und doch eine breite und treue Fanbasis haben. Besonders deutlich zeigt sich das an der Band Marillion, die von ihren Fans durch alle Höhen und Tiefen begleitet wurde, Fans, die 1997 gar durch eine Spendenaktion eine neue Tour ermöglichten. Nach einigen Besetzungswechseln präsentieren sich Marillion mittlerweile in Bestform. Nach Meinung der Fans übertrifft jedes neue Album seine Vorgänger. Marillion stehen in Zeiten von austauschbarer, formatierter, flacher Popmusik für den Mut zur musikalischen Aussage, ihre Songs sind komplex, aber nicht zum angehobenen Selbstzweck, sondern um echte Emotionen zu vermitteln. Marillion befindet sich respektwürdig lange im Geschäft (seit 1979 als Silmarillion, dann mit „Fish" alias Derek William Dick seit 1981). Das sind fast 30 Jahre. In der Band-Geschichte wurde der Sänger einmal ausgewechselt. Sänger "Fish" wurde 1989 ersetzt durch Steve Hogarth. Sie waren einem breiten Publikum bekannt und haben in großen Hallen gespielt.
Jetzt sind es annähernd 20 Jahre Hogarth-Time, seit einst in der Düsseldorfer Phillipshalle verdutzte, ja völlig konsternierte Fans nach Fish schrieen, als sie Hogarth sahen und erst nach einem Drittel des Konzertes endlich realisierten, dass Fish nicht mehr kommt, weil zuvor wenig durch die Medien ging und nun eine andere Zeitrechnung begangen werden musste. Seit dem „Fish-Knick" jedoch hat sich der charismatische Hogarth ein für allemal etabliert und den eigentümlichen Stil manifestiert, welcher der Band nunmehr vollständig den Stempel aufgedrückt hat. Hogarth ist zwar kein Multiinstrumentalist aber Multivokalist, da er über ein sehr breites Stimmspektrum verfügt. Die Band wird teils vom nicht minder famosen Steven Wilson produziert, der mit seiner Band "Porcupine Tree" oder weiteren Ablegern in der Prog.-Szene eine absolute Größe darstellt.
Damals als billige Genesis Kopie verunglimpft , aber trotzdem schon geniale Scheiben produziert, die seit 1982 sogar in den BFBS Chart-Formaten rauf und runter liefen. Andererseits sind aber auch entscheidende Unterschiede zu erkennen, besonders die schnellen und verschnörkelten Keyboard-Parts von Mark Kelly. Der Text von Grendel ist inspiriert von John Gardners gleichnamigen Roman, in dem der Terror Grendels, des aus der Beowulf-Sage stammenden Ungeheuers, gegen König Hrodgar und sein Volk aus der Perspektive des Ungeheuers beschrieben. Anfang 1983 folgte das textlich und musikalisch eigenständige Debüt-Album "Script For A Jester's Tear". Das Album enthält einerseits ein sehr trauriges, poetisches, sprachlich und melodisch komplex gestaltetes Liebeslied. Gerade dieses Album lief wirklich ausgiebig - wie es heut e nicht mehr der Fall sein dürfte - durch die UK-Charts.
Mit dem Album "Holidays In Eden" veröffentlichte Marillion 1991 erstmals eine Platte, die fast nur aus radiotauglicher Musik bestand - schickte aber drei Jahre darauf mit dem düsteren Konzeptalbum "Brave" ein klares wie grandioses Gegenstück hinterher. Mit diesem Album und der vorhergegangenen Platte "Anoraknophobia" führte Marillion ein innovatives, wenn auch umstrittenes Geschäftsmodell ein. Um die Alben eigenständig überhaupt produzieren zu können, ohne dass eine Plattenfirma involviert sein musste, ließ man sie sich von den Fans etliche Monate im Voraus vorfinanzieren. Als Belohnung bekamen die Vorbesteller die Alben als Doppel-CD, während im konventionellen Handel nur einfache CDs erhältlich sind.
Gründungsmitglieder sind:
Steve Rothery (Gitarre)
Doug Irvine (Bass)
Brian Jelliman (Keyboard)
Mick Pointer (Schlagzeug
Dann:
Fish (Vocals)
Steve Hogarth (Vocals)
Steve Rothery (Gitarre)
Pete Trevavas (Bass)
Mark Kelly (Keyboard)
Ian Mosley (Drums)
Aktuelles Album:
„Somwhere Else", 2007
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