Die Gesundheitsreform - viel Lärm um praktisch Nichts. Maria Franic
Am vergangenen Freitag haben sich die Großkoalitionäre nach langem Hin und Her endlich auf ihr Prestigeprojekt, die Gesundheitsreform, geeinigt. Sagen Sie jetzt nicht, dass Sie das nicht interessiert. Es geht um Ihre Gesundheit und vor allem um Ihre Finanzen, denn die Krankenversicherung wird teuer - aber damit haben Sie als Wähler ja sowieso gerechnet. Natürlich können und sollen Sie zu einer preiswerteren Kasse wechseln, doch der Spareffekt dürfte kaum von langer Dauer sein. Der Grund: Wenn die Krankenkassen mit den ab 2009 geltenden einheitlichen Beitragssätzen nicht zurecht kommen - und das werden sie garantiert nicht - dann können sie Zusatzbeiträge erheben. Was bleibt, ist der übliche Griff in den Geldbeutel der Kassenpatienten. Die Reform kaschiert demnach nur eine Erhöhung der Beiträge, die eigentlich stabilisiert werden sollten. An den Rahmenbedingungen hat sich kaum etwas verändert. Ob die Reform den Wettbewerb ankurbeln wird, muss sich auch noch herausstellen. Zweifel sind jedoch angebracht. Man hat eher den Eindruck, dass sich CDU/CSU und SPD so in Stellung gebracht haben, dass bei den nächsten Bundestagswahlen beide Wunschmodelle, also die Gesundheitsprämie oder die Bürgerversicherung aus der Gesundheitsreform extrahiert werden können. Wieder einmal spielt die Politik auf Zeit bzw. verschiebt gesellschaftlich lebenswichtige Themen auf die nächste Legislaturperiode. Ein unverantwortlicher und teurer Verschiebebahnhof.
Wird die Versorgung denn wenigstens besser? Auch hier kann man geteilter Meinung sein. Ausgeweitet werden die Leistungen bei Impfungen, Eltern-Kind-Kuren und Reha-Maßnahmen. Auch die Palliativpflege, also die Betreuung Schwerstkranker und Sterbender, wird verbessert. Das sind auch schon die Highlights der Gesundheitsreform. Worauf es künftig viel stärker ankommt, ist die Eigenverantwortung der Versicherten. Wer Check-ups oder Krebsvorsorgeuntersuchungen schwänzt, der muss mehr aus eigener Tasche bezahlen. Im Krankheitsfall beträgt die Zuzahlung nicht wie bisher maximal ein sondern zwei Prozent. Ein Bonusheft, wie wir es bereits beim Zahnarzt haben, soll alles dokumentieren. Auch wenn der Grundgedanke im Sinne einer Prävention richtig ist, so zeigt uns die verantwortliche Gesundheitsministerin Ulla Schmidt ganz klar, dass sie sich für Gesundheit, nicht aber für Krankheiten zuständig fühlt. Durch die Hintertür und von der Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt wird das Gesundheitssystem umgestellt. Den Anfang machen Patienten, die nach Tätowierungen, Piercings oder Schönheitsoperationen behandlungsbedürftig werden. Sie sollen nicht mehr auf Kassenkosten behandelt werden. Da sich der Staat mehr und mehr aus seiner Verantwortung zurückzieht und nach Schlupflöchern sucht ist davon auszugehen, dass künftig mehr Gruppen aus der Solidargemeinschaft fliegen werden: Übergewichtige, Raucher, Diabetiker, Menschen mit genetischen Dispositionen, Organspender usw. So wie es aussieht, hat sich die Gehirnwäsche bestimmter Interessengruppen bezahlt gemacht, denn die Entsolidarisierung unserer Gesellschaft schreitet munter fort.
Wird es denn wenigstens übersichtlicher? Leider nein. Kassenpatienten dürften sich bald bei ihrer Krankenkasse bald wie bei ihrem Handy-Anbieter fühlen. Der Grund: Gesetzliche Krankenkassen können Wahltarife anbieten - mit Selbstbehalt, Rückerstattungen oder solche, in deren Rahmen auch homöopathische Arzneimittel bezahlt werden. Was auf den ersten Blick wie Marktwirtschaft und Wahlfreiheit klingt, dürfte sich in der Praxis als eine weitere Nebelkerze derjenigen entpuppen, die sich ihr Stückchen am großen Gesundheitskuchen sichern wollen.
Was wird eigentlich aus dem vieldiskutierten Gesundheitsfonds, in den die Kassenbeiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern fließen sollen. Nun, der soll zum 1. Januar 2009 starten, was allerdings von vielen Seiten bezweifelt wird.
Übrigens: Glauben Sie nicht, dass das Thema nun vom Tisch ist, denn das Jahr 2009 ist ja bekanntlich auch Wahljahr - und dann wird sicher auch wieder über gesundheitspolitische Baustellen wie den Gesundheitsfonds gesprochen. Denken Sie also daran, wenn die Akteure dann wieder reflexartig mit dem Finger auf den ehemaligen Koalitionspartner, der nun zum politischen Gegner geworden ist, zeigen und behaupten, sie hätten die Gesundheitsreform ja ganz anders gewollt. Beide großen Parteien werden vermutlich schon nächstes Jahr mit ihrer Profilsuche beginnen und sich von ihrem bisherigen Koalitionspartner abgrenzen. „Hätten wir keine große Koalition gehabt, so hätten wir alles anders gemacht ...", werden wir dann garantiert zu hören bekommen. Doch Erklärungsversuche im Konjunktiv sind nun wirklich das Letzte, was die Bürger von der Politik hören wollen.