ZDF-Dreiteiler «2030 - Aufstand der Alten»: Ein Vergreisungs-Thriller spaltet die Nation. Maria Franic

Für reichlich Gesprächsstoff sorgt die fiktive dreiteilige Dokumentation „2030 - Aufstand der Alten". Offensichtlich konnte auch ein öffentlich-rechtlicher Sender nicht der Versuchung widerstehen, mit Vergreisungsszenarien und Zerrbildern der Zukunft Quote zu machen. Die Botschaft ist denkbar einfach: Die Rentner von morgen sind die Totengräber unseres Sozialstaates. Eine einfache, wenn auch falsche Wahrheit, die man sonst eher bei den privaten Kanälen ansiedeln würde. Entsprechend groß ist die Kritik, die der Mainzelmännchen-Sender einstecken muss. Der Sozialverband VdK bemängelte nicht zu Unrecht, dass eine öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt die Gelder, die sie von den Zusehern kassieren, nun wirklich nicht dafür nutzen sollte, durch ein Sendeformat Angst zu machen, in dem die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verwischen. Was hat die Verantwortlichen eigentlich geritten? Das ZDF versichert, der Film sollte niemanden verunsichern, sondern aufrütteln und aufklären, „damit es gerade nicht zur Spaltung zwischen Jung und Alt" komme. Doch dieser Plan, wenn es denn je einer war, ist mit Sicherheit nicht aufgegangen. Wer sich nur die Forumsbeiträge bei Focus online ansieht, ist entsetzt über die Unversöhnlichkeit und die Schuldzuweisungen der Beiträge, die aus unserer gesellschaftlichen Mitte kommen. Angesichts dieser erhitzten und von Angst gekennzeichneten Atmosphäre haben es Politiker, Lobbyisten und Versicherungsunternehmen leicht, Fakten zu schaffen und ihre Rezepte durchzusetzen.

Fakt ist: Die demografische Entwicklung unseres Landes stellt uns vor Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Doch dieser Wandel bietet zugleich enorme Chancen. Allen Kassandra-Rufern, die aus unserer Zukunft einen Stephen King-Roman machen wollen, halte ich ein paar Thesen, Forderungen und Fakten entgegen.

• Der Staat hat die Verantwortung dafür zu sorgen, dass die Rente einer jeder Generation gesichert ist. Wer die     Möglichkeit hat, privat vorzusorgen, sollte dies selbstverständlich tun. Es verbietet sich, auf Kosten einer anderen  Generation zu leben. Das wollen die Menschen auch nicht. Sie arbeiten, um später in den wohlverdienten Ruhestand gehen zu können. Aus ihnen „Sozialschmarotzer" machen zu wollen, ist nicht nur ein Versagen der Verantwortlichen, sondern ein Zeichen des mangelnden Respekts den Menschen gegenüber, die noch in die Sozialsysteme einzahlen.

• Mit höheren Beiträgen und gekürzten Leistungen (Stichwort: „Reformen") werden nicht künftige Entwicklungen reguliert, sondern nur alte Löcher in der Renten- und Krankenversicherung gestopft. Wer dies als Zukunftslösung verkauft, der betreibt reine Augenwischerei. Merke: Von 55 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter zahlen derzeit nur etwa 26 Millionen Beiträge in die Sozialversicherung. Wie kann das sein?

• Bundesweit suchen im Schnitt 4 Millionen Menschen Arbeit. Welche Lösungen gibt es für diejenigen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt chancenlos sind?

• Von den über 55-Jährigen arbeitet in Deutschland nur noch jeder Zweite. Mit staatlicher Duldung haben viele Unternehmen ihre älteren Mitarbeiter in den letzten Jahren brutal abgeschoben. Wann endet diese Art der Altersdiskriminierung? Die Personalverantwortlichen sind gut beraten, jetzt schon ein „Age Management" einzurichten, denn schon in wenigen Jahren wird es weniger junge Wunschkandidaten geben. Deshalb ist ein qualitäts- und gesundheitsorientiertes Personalmanagement für die älter werdende Belegschaft ein Investment in die Zukunft. Das hat auch seine Vorteile, denn junge Leute können sich kaum in die Welt der reiferen Semester hineinversetzen. Doch in Zukunft reüssiert nur, wer Produkte und Dienstleistungen für Best Ager anbieten kann.

• Es ist richtig, das Renteneintrittsalter automatisch mit der höheren Lebenserwartung zu verknüpfen. In den vergangenen 150 Jahren hat sich die Lebensdauer der Menschen kontinuierlich verlängert, in Deutschland nahezu linear um jeweils drei Monate pro Jahr. Wenn sich dieser an sich erfreuliche Trend weiter fortsetzt ist davon auszugehen, dass die Deutschen zur Jahrhundertmitte im Schnitt 93 bis 94 Jahre alt werden. Rente mit 67 oder später? Eine logische Konsequenz, oder? Wer etwas anderes erzählt, bedient eine Klientel, die die Fakten nicht sehen will.

• Die These, dass wir immer älter und zugleich immer kränker werden ist falsch. Merke: Der Anstieg der Lebenserwartung geht generell mit einer besseren Gesundheit einher.

• Es gibt keine Pflicht zum Kind! Menschen ohne Kinder zahlen genug in das System ein oder konsumieren entsprechend. Ich fordere ein Ende der Hexenjagd auf Kinderlose. Es ist eine Falschmeldung, dass die heutigen Frauen zu wenige Kinder in die Welt setzen. Tatsächlich liegt die Geburtenziffer in Deutschland mit 1,36 Kindern pro Frau im europäischen Durchschnitt. Übrigens: Seit es die Pille gibt, sind die Geburtenraten rückläufig. Bereits seit 1972 werden in der alten Bundesrepublik jedes Jahr weniger Kinder geboren als Menschen sterben.

Mein Wunsch an unsere Gesellschaft lautet: Bitte keine Schuldzuweisungen und keine weitere Spaltung der Gesellschaft. Wir brauchen Lösungen, keine fein gepixelten Horrorbilder der Zukunft. Schluss mit der Schwarzseherei. Nicht der Vergangenheit hinterherweinen, sondern mit Zuversicht und Vertrauen in die eigene Leistungskraft seine persönliche Zukunft zu planen. Auch sollten wir die Politik danach messen, welche Lösungsszenarien sie anbietet. Was wir vor allem nicht brauchen, sind Jungpolitiker, die frisch von der Uni in das politische Geschäft drängen: Keine Ahnung vom Leben oder von den harten Regeln der Wirtschaft, doch haben sie es schon gelernt, uns „alten Hasen" mit dem Zeigefinger zu drohen. Dabei sind sie die Profiteure des Systems, erwerben sie doch in kürzester Zeit Rentenansprüche, von denen Normalos nur träumen können. Wir brauchen keine Selbstdarsteller oder zungenfertigen Schwätzer, sondern Menschen, die sich ihren Wählern und nicht den Parteien und Lobbyisten verpflichtet fühlen. Vielleicht ein Kriterium bei der Bewertung von Bewerbungen künftiger Kandidaten um ein politisches Amt?

Bei allen Sorgen um die Zukunft. Es ist doch schön, dass wir älter werden und dabei alle Chancen haben, bis ins hohe Alter gesund zu bleiben. Sicher, es gibt noch viel zu tun, doch die „silberne Generation" darf sich auf eine rosige Zukunft freuen.

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